Ein Schulbesuch in Eggelsberg nach 8000 Kilometern

Die Klasse in Eggelsberg, darunter auch Schülerinnen und Schüler aus Moosdorf waren sprachlos: schon als Kind jeden Tag einen Schulweg von jeweils 2 Stunden hin und 2 Stunden zurück. Zu Fuß. Und dann eine Lebens-Entscheidung treffen müssen mit 21! Denn als Polizist steht er auf der Todesliste. Muss fliehen, um zu überleben. 8000 Kilometer. Es wird still in der 2a, als Zekrullah seine Geschichte erzählt.

Der junge Mann aus Afghanistan steht an diesem Tag in der Schule in Eggelsberg. Denn er hat sich entschieden, hat sich auf den Weg gemacht: 8000 Kilometer, viereinhalb Monate. Größtenteils zu Fuß. Er kann erzählen wie das ist – auf der Flucht. Es wird viel geredet über Flüchtlinge. Auch bei uns. Aber wichtig ist – da ist sich auch der Moosdorfer Gemeinderat in seiner letzten Sitzung einig gewesen – wir reden zu wenig mit ihnen. Und: Wir wissen einfach zu wenig über sie. Das sollte man ändern.
Um Fakten gegen Gerüchte zu setzen, haben Barbara Wallner, Lehrerin aus Moosdorf an der Neuen Musikmittelschule in Eggelsberg und ihre Kolleginnen vor kurzem einen besonderen Gast eingeladen.

Schulaktion Flucht (2 von 4)„Es bedarf besonders auch in den Schulen einer gründlichen Aufklärungsarbeit, um Angst und Vorurteile gegen Wissen zu tauschen,“ ist Barbara Wallner überzeugt. Darum möchte man in der Schule mit den Kindern die Flüchtlingssituation erarbeiten. Dabei kommen Fragen wie „Wer ist auf der Flucht? Warum ist jemand auf der Flucht? Was ist/kann das Ende der Flucht sein?“ zur Sprache. Um diese und andere Fragen zu beantworten, war es den Lehrerinnen wichtig, mit jemanden zu sprechen, der genau darüber erzählen kann – über seine Flucht und die Beweggründe. Dabei trafen sie auf Zekrullah.

Schulaktion Flucht (1 von 4)Der 23-jährige ist vor eineinhalb Jahren aus seiner Heimat Afghanistan geflüchtet. Er kam zu Besuch in die NMMSE Eggelsberg und erzählte den Schülern der Klasse 2a über sein persönliches Schicksal. Vor eineinhalb Jahren kam er in Österreich an und hat auf seiner Reise rund 8.000 Kilometer zurückgelegt. Er war viereinhalb Monate vor allem zu Fuß unterwegs. Seine Eltern haben alles verkauft, um ihrem Kind die Flucht zu ermöglichen. Das einzige was er mitnahm: das Geld dass ihm die Eltern gaben und eine Wasserflasche. Einige Kinder fragten ihn, warum er eigentlich flüchten musste. Seine Antwort: kurz – zurückhaltend mit Rücksicht auf die Kinder – aber eindeutig: Es ging um sein Leben – wäre er dort geblieben, wäre er jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit schon tot. Als Polizist in Afghanistan stand er natürlich bei den Taliban auf der Todesliste. Genauso wie ein Freund von ihm. Den wird er nie wieder sehen – er wurde noch in seiner Heimat erschossen.

Viele Fragen, viele Antworten

Schulaktion Flucht (3 von 4)Um den Schülern einen Eindruck von seinem Land zu vermitteln, erzählt er ihnen von den Kindern, den Menschen und den Gesetzen in Afghanistan. Es sind die kleinen Geschichten, die das besondere dieser Veranstaltung ausmachen. Ganz fassungslos war die Klasse, als Zekrullah erzählte, wie lange sein Schulweg als Kind war – ganze 2 Stunden – jeweils morgens und nachmittags. Für unsere Schüler kaum vorstellbar. Doch auch die Flucht selber war ein großes Thema – es wurden viele Fragen gestellt. Vorsichtig erzählte er den Kindern über die schrecklichen Erlebnisse seiner Flucht. Wie oft er großen Hunger hatte, dass er fror und viel im Freien geschlafen hat. Aber auch über die Angst und den Tod, die während so einer Flucht, die ständigen Begleiter sind.

Für die Schüler der 2a in Eggelsberg war der Besuch von Zekrullah ein einmaliges Erlebnis, bei dem sie sehr viel gelernt haben – weit weg von den kursierenden Halbwahrheiten im Netz, auf Facebook oder auch so manchen Medien. „Vor ihnen stand ein junger Mann der sein Leben retten wollte und deshalb sein Land verlassen musste – ganz klar. Ohne Verschnörkelungen und Ausschmückungen – einfach authentisch.“, so empfinden das die im Klassenzimmer. Da wird wieder einmal deutlich: es ist der direkte Kontakt mit den Menschen, der uns besser verstehen und Empathie empfinden lässt. Deshalb sollte es auch mehr von solchen Besuchen und Veranstaltungen geben, um Vorurteile und Gerüchten möglichst früh gegen Wissen auszutauschen.

Auch in Moosdorf, das hat der Gemeinderat schon vor einigen Wochen besprochen und einstimmig über alle Fraktionen als richtig angesehen, sollten wir mehr aufklären und informieren. Diese kleine Geschichte ist vielleicht ein Teil dieser Aufklärung. Danke darum an Zekrullah, an die engagierten Lehrer in Eggelsberg und an die Schüler fürs Zuhören.

Moosdorf Live

Mein Name ist Christian Spanik. Ich bin der Moosdorfer Dorfchronist und verantwortlich für Inhalte und Konzepte der Moosdorfer Gemeindemedien wie Moosdorfer Bote, Moosdorf Live auf Facebook und Moosdorf Live im Internet unter der Adresse www.moosdorf.net

7 Antworten

  1. Hochradl Sonja sagt:

    Hallo Herr Spanik,
    Ich hätte eine große bitte würde gerne eure beiden Gemeindezeitungen abonnieren,wenn sie sie mir zusenden könten ich würde natürlich das porto übernehmen.
    Danke Hochradl Sonja

    • Moosdorf Live sagt:

      Vielen Dank für diese Anfrage. Zu den Gemeindezeitungen: wir haben den Moosdorfer Boten – ein ehrenamtliches, privates aber von der Gemeinde mit unterstützes Projekt. Eine zweite eines privaten Anbieters gab es nur kurz 2013. Die wurde wieder eingestellt.Dann gibt es unser Online-Angebot (Moosdorf Live) hier und in Facebook. Dann noch Pfarrblatt und den Gemeinde/Bürgermeisterbrief. Sowohl den Boten als auch das Pfarrblatt kann man bei uns kostenfrei als PDF herunterladen. Wenn Sie also nur lesen wollen und es nicht als Papier sein muss: alle Ausgaben des Boten und des Pfarrblattes finden sie also bei uns auf der Webseite. Wir schicken aber natürlich auch gerne die Printausgabe gegen Porto. Herzliche Grüsse
      Christian

  2. Andrea sagt:

    Ein wundervoller Artikel. Und Zekrullah hat mir auch erzählt, dass er wunderbare Kinder und LehrerInnen kennengelernt hat.
    Eine tolle Aktion mit viel Gefühl aufs Papier gebracht. #like

    • Moosdorf Live sagt:

      Danke für das Lob zum Artikel. Es freut uns sehr, dass es sooo vielen gefällt diese Geschichte zu lesen. Durch die vielen Likes/Teilen Aktionen in Facebook hat diese Story quer durch Österreich Beachtung gefunden und den absoluten Abrufrekord bei Moosdorf.net seit Bestehen produziert. Von Wien bis ins Burgenland wollten Leute diese Geschichte lesen – bzw. lesen sie, wie wir sehen immer noch. Das ist doch mal ein tolles Signal mitten hinein in die Weihnachtszeit! Danke an alle, die geteilt, geliked und weiter empfohlen haben über diese Aktion zu lesen. Und noch viel mehr danke an die, die das an der Schule auf die Beine gestellt haben!

      • Walter Hager sagt:

        Ich kann mich all dem Lob über diesen Artikel nur anschließen. Nachahmenswert für viele, viele Schulen und Gemeinden in Österreich! Danke
        Liebe Grüße aus Wien

        • Moosdorf Live sagt:

          Vielen Dank für das Lob. Wir freuen uns sehr, dass wir als kleine Gemeinde eine Geschichte hatten, die offenbar soviele Menschen in Österreich begeistert und inspiriert hat. Das war auch die Idee dahinter!

  3. Tina Lehner sagt:

    einen großen Dank an die Lehrerin, das sie diesesTtreffen mit den SchülerInnenn und Zekrullah ermöglichte (bitte liebe Lehrer und Lehrerinnen, dies kann mann gerne in den Lehrplan einbauen ;-). denn jetzt sind es wieder noch viel mehr junge Menschen, die positive Erfahrungen sammeln können und diese an Freunde und Freundesfreunde weitergeben werden.
    Ene geniale Idee und dem tollen jungen Mann wünsche ich ein schönes neues leben mit vielen neuen offenen Nachbarn und lieben neuen Freunden. Auch dass er seine oft schreeckliche Vergangenheit gut bewältigen kann, und wenn dann auch gute Unterstützung bekommt! alles liebe aus Wien

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